Fußball-Schuhe mit Geschichte

Diese Treter lassen an das Wunder von Bern denken: Nach fünf Jahrzehnten des Schattendaseins werden Kult-Schuhe versteigert, Nordfriesland Tageblatt 16.04.2015

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Übergabe: Detlef Petersen (2.v.r.) spendet die 50 Jahre alten Fußballstiefel Michael Wichmann (l.) von der Fußballabteilung des TSV Rotweiß. Foto: Dieter Wrege

Die Geschichte der Schuhe beginnt vor rund einem halben Jahrhundert in einem Niebüller Schuhgeschäft. Wie viele andere war Schuster Hermann Sommer fasziniert von den Fußballschuhen, wie sie Fritz Walter 1954 in Bern beim 3:2 über Ungarn und Uwe Seeler 1966 im WM-Finale im Londoner Wembley-Stadion trugen. Das waren die schwarzen Fußballstiefel mit den drei Riemen und der braunen Kappe vorn, erfunden, entwickelt und hergestellt in Herzogenaurach von Adolf Dassler, dem Gründer des Sportartikel-Unternehmens Adidas.

Derlei Fußballstiefel wurden als „Die mit den drei Riemen“ weltweit bekannt. Und das nicht nur wegen ihrer Qualität und Originalität (mit den Schraubstollen), sondern auch wegen einer geschickten Werbung mithilfe des „Wunders von Bern“. Schuster Sommer, selbst Fußballer und stets mit einer Sportjacke bekleidet, bot in seinem Betrieb in der Karl-Friedrich-Straße (vorne Laden, hinten die Werkstatt mit mehreren Gesellen) Adidas-Schuhwerk an. Im Regal blieben fünf Paar Schuhe stehen: drei Paar Fußballstiefel, und je ein Paar Turnschuhe und Spikes – die allesamt zu Ladenhütern mutierten und 30 Jahre auf Käufer warteten. Vor 20 Jahren erbarmte sich der Niebüller Detlef Petersen ihrer und kaufte sie für 100 D-Mark.

Detlef Petersen, heute 72 Jahre alt, war damals „Vollstreckungsbeamter“ bei der AOK, Drummer bei den „Morinos“, Stadthumorist und gefragter Entertainer und Moderator, (be)hielt die Schuhe in Ehren. Bis auf die Spikes, die er einem Leichtathleten aus Leck vermachte. Jetzt kam er auf den Gedanken, sie den Fußballern des TSV zu schenken. Vor dem Fußballspiel Rotweiß gegen die Dritte von Frisia 03 übergab er sie Michael Wichmann aus der Fußballabteilung. Diese will die Fußballstiefel versteigern und den Erlös der Fußballjugend zu Gute kommen lassen.

Was aus der Geschichte bleibt, sind in der Tat Erinnerungen. Da lebt der Schuhmacher Hermann Sommer wieder auf, der seine Kunden stets in der dritten Person anzusprechen pflegte mit den Worten „Was will er?“, weil ein „Sie“ zu vornehm und ein „Du“ zu vertraulich klänge.

Man erinnert sich auch an den Niebüller Fußballer Erwin Scheffler, der zusammen mit Fritz Walter beim 1.FC Kaiserslautern spielte. Oder an Uwe Seeler, der Kontakte nach Niebüll hatte, wo ihm Architekt Jürgen Rohloff sein Reethaus in St. Peter Ording aufs Reißbrett zauberte. König Fußball machte es möglich, dass die Welt zuweilen „ziemlich klein“ ist, dass man sich großer Ereignisse ebenso erinnert wie eines Handwerks, das heute nur noch selten vertreten ist.

Vor 50 Jahren war Hermann Sommer einer von elf Schustern in der damaligen Gemeinde Niebüll. Das waren die Schuhmacher oder Schuster (= gängige Bezeichnung für ein und dasselbe Handwerk) Jannsen, Heel, Schmäl, Adamiak, Momme, Haase, Carstensen, Kröger, Heinsen und Hansen – jeder für sich ein Original, mit besonderen Fähigkeiten gesegnet und einem treuen Kundenstamm um sich. Schuhe waren damals teuer – und wurden mehrfach besohlt, genäht, repariert und zuweilen auch zum Klotzenmacher gebracht, um danach im Endstadium abgelatscht zu werden.

Und schließlich erinnert die Übergabe an Turnschuhe, die einmal als „die schnellsten Schuhe der Welt“ besungen und an Fußballstiefel, die als die besten und „die mit den drei Ringen“ bekannt wurden.